«Ich war der Corona-Dekan»

Ende dieses Jahres beendet Dekan David Spreng seine Zeit als Professor für Kleintierchirurgie und Dekan der Vetsuisse-Fakultät Bern. Wir trafen ihn an einem Mittwochnachmittag in seinem Büro, wo er uns bei einer Tasse Kaffee über seinen Werdegang als Chirurg und Dekan erzählt hat. Als Dekan ist und war er «bi de Lüt», vorausschauend, humorvoll und ein guter Zuhörer.

von Leonore Aeschlimann und Meike Mevissen

Lieber David, danke, dass Du Dir Zeit genommen hast für dieses Interview. Bitte erzähle uns in Kürze, wieso Du Tierarzt werden wolltest und was Dich letztendlich motiviert hat, Dekan der Vetsuisse-Fakultät Bern zu werden.
Eigentlich wollte ich Humanmedizin studieren, aber ich hatte das Gefühl, dass ich nicht so mit den Menschen kann und habe mich dann für das Tiermedizinstudium entschieden. Ich habe erst später gemerkt, dass man als Tierarzt extrem viel mit Menschen kommunizieren muss– von daher war es also eigentlich eine dumme Entscheidung. Studiert habe ich in Bern. Nach meinem Staatsexamen habe ich in der Kleintierklinik unter der Leitung von Professor Freudiger als Assistent gearbeitet. Damals waren wir zirka 6 Assistenten. Während dieser Zeit habe ich ein Interesse an der Chirurgie entwickelt. Meine Dissertation, die damals ewig lang gedauert hat, habe ich zum Thema „Rheumatoide Polyarthritis beim Hund“ geschrieben. Die Erkrankung war damals kaum erforscht. Es war Professor Lombard, der uns alten Assistenten damals nahegelegt hat, uns umzuschauen und weiterzubilden. Ich bin dann nach Milwaukee/USA gegangen, wo ich eine kombinierte Forschungs- und Assistenzstelle bekommen habe. Meine Forschung widmete sich der Herzkreislauf-Wiederbelebung in der  Notfallmedizin. Drei Jahre lang habe ich dort in einer der ersten, vermutlich sogar der allerersten, 24-Studen Intensivmedizinklink der USA gearbeitet: 3 Tage Forschung, 3 Tage Klinik, 1 Tag schlafen. Das war schon sehr cool, denn ich habe u.a. gelernt, wie man forscht, und sogar einen NIH (National Institute of Health) Grant bekommen. Von den USA selber habe ich aber eigentlich nicht sehr viel mitbekommen. Danach bin ich zurückgekommen und konnte hier als Oberassistent in der Chirurgie einsteigen. Ich habe mich hier in Bern habilitiert zum Thema  Stickoxid (NO) im vorderen Kreuzband. Als mein damaliger Chef schwerkrank wurde, habe ich die Klinikleitung ad interim und später regulär übernommen.

Wie bist Du vom Abteilungsleiter Chirurgie zum Dekan geworden?
Es gibt noch einen Zwischenteil von der Klinik zum Dekanat: Ich war 4 Jahre lang Departmentsleiter und habe das klinische Departement DKV geführt. Damals habe ich gemerkt, dass ich ein gewisses Flair für administrative Aufgaben, Organisation, Strategie, Weiterdenken etc. habe. Dann hat es mich gereizt, das Dekanat zu übernehmen.

Haben sich die Erwartungen vom Dekanat gedeckt, mit dem, was Du erlebt hast?
Ja, ich denke schon. Ich bin relativ gut eingearbeitet worden. Während meiner Zeit als Lehrkommissionspräsident hat mir Alt-Dekan Zurbriggen viel Freiraum gegeben betreffend Curriculumsarbeit und auch für die Finanzen. Diese Aufgaben als Dekan sind aufgegangen.

Gibt es eine lustige Anekdote während Deiner Zeit als Dekan?
Ich habe mal eine Führung für Gäste gemacht und wir sind durch das Virologische Institut gelaufen. Dann kam jemand und hat mich gefragt, wer ich eigentlich sei (lacht).

Was war das Schwierigste?
Ich war der Corona-Dekan, und das war sehr schwierig. Wir hatten keine Ahnung, wie lange die Situation anhält. Und das Schwierigste war, das man mehrere Chefs hatte, die wollten, dass was umgesetzt wird: Die Vetsuisse-Fakultät beider Standorte, die Uni selbst, sowie die Politik und das BAG haben Vorschläge gemacht, welche teilweise wirklich diametral unterschiedlich waren. Am wichtigsten und am besten während der Corona-Pandemie war, dass ich es fertiggebracht habe, dass die Studierenden in den klinischen Rotationen dennoch ausgebildet wurden.

Was hat Dir besonders Freude gemacht?
Zwischendurch hat man als Dekan die Möglichkeit, Personen zu fördern, oder, wenn irgendein Problem da ist, kann man relativ einfach helfen oder unterstützen. Als Dekan kann man zwischendurch direkt eingreifen und entscheiden.

Was und wieviel delegiert man als Dekan? Und wo entscheidet man, eine Kommission etwas machen zu lassen?
Ich habe eigentlich immer versucht, die grossen strategischen Entscheide in Kommissionen zu bearbeiten, aber ich habe auch häufig versucht, am Anfang einen Input zu geben. Die Einzelentscheide sind retrospektiv kleine Sachen, die man schnell entscheiden muss. Die grösseren Sachen habe ich eher delegiert.

Früher war es Peter Stucki, der den Job «Studienplanung» fast alleine geschmissen hat. Heute sind viel mehr Personen involviert. Was denkst Du darüber?
Die Menge and Personal und die Art und Weise, wie das Dekanat heute ausgerichtet ist, ist meiner Meinung nach die minimale essentielle
Grösse. Das ergibt sich aus der Tatsache, dass die Anforderungen, die die Dozierenden an das «Servicecenter » Dekanat haben, immer grösser werden. Ich kann das auch z.B. am Aufwand an den Rekursen sehen. Früher gab es zirka einen Rekurs pro Jahr. Heute ist es massiv mehr. Auch die ganze Organisation mit den Curricula, den elektronischen schriftlichen Prüfungen… also der zentrale Aufwand ist viel grösser geworden.
Was wirst Du nach Deiner Pensionierung am meisten vermissen?
Von der Chirurgie vermisse ich das Erfolgserlebnis. Da geht ein Tier aus dem Spital raus, das besser ist, als vorher. Von meiner Zeit als Dekan werde ich die kontroversen Diskussionen vermissen.

Was legst Du der neuen Dekanin ans Herz?
Man muss eine Mischung mitbringen von Entscheidungen treffen und gleichzeitig zuhören können. Wenn wir in die Zukunft schauen, sind die Standorte Zürich und Bern immer mehr abhängig voneinander, um die beste Lehre zu bieten, die möglich ist. Wenn man miteinander redet, ergeben sich Opportunitäten. Die Idee von Vetsuisse im Grundgedanken unterstütze ich immer noch. Auch die Erfolge unserer Fakultät in den letzten Jahren basiert darauf, dass wir uns zusammengeschlossen haben. Es ist immer noch eine wahnsinnige Aufgabe, die Vetsuisse mit Leben zu füllen und zusammenzuarbeiten.

Was gibt es für Herausforderungen für unsere Fakultät?
Für die Vetsuisse-Fakultät, dass unser Konstrukt wirklich gelebt wird. Für Bern, dass wir in den nächsten Jahren Infrastrukturmässig wissen, wohin der Weg geht. Was die Evaluation der EAEVE (European Association of Establishments for Veterinary Education) angeht, haben wir reelle Chancen, die Anforderungen zu erreichen.

Was ist Deine Vision, wo geht die Vetsuisse-Fakultät hin?
Wir können besser sein, und ich glaube, dass wir uns wortwörtlich nehmen müssen: Neben exzellenter Forschung müssen wir eine Ausbildung anbieten, die praxisrelevant ist. Das könnte Umdenken involvieren. Das ist sicher Gegenstand weiterer Diskussionen. Die Ausbildung der Assistierenden ist eine andere Sache. Wir haben vor 20 Jahren mit den Internship und Residency Ausbildungen begonnen. Hier war die Schweiz übrigens Vorreiter. Jetzt haben wir nicht mehr die Möglichkeit, alles alleine zu stemmen, weil das Ganze wächst.

Welchen Ratschlag kannst Du jungen Tierärztinnen und Tierärzten geben?
„One thing at a time“. Man kann nicht alles gleichzeitig im Leben haben und tun. Es nützt der eigenen Entwicklung mehr, wenn man sich mehr Zeit lässt für gewisse Dinge. Ich finde auch den Ausdruck „work-life-balance“ eine Katastrophe: beide Begriffe sind miteinander verbunden. Es gibt Zeiten, wo Arbeit wichtiger sind, und Zeiten, wo die Freizeit wichtiger ist. Aber beides zu gleichen Teilen zur gleichen Zeit zu haben, funktioniert nicht.

Hast Du Tiere?
Vor vier Monaten ist Miro, ein Flat Coated Retriever, im Alter von 12 Jahren gestorben. Ich trauere ihm immer noch nach, deswegen habe ich zurzeit keinen Hund. Ich hatte immer schon Flat Coated Retrievers. Das sind die tollsten Hunde. Sie werden auch Peter Pan Dogs genannt, weil sie ewige Kinder und die perfekten Familienhunde sind.

Was machst Du in Deiner Freizeit?
Ich tauche und koche gerne. Ich habe vor drei Jahren meine Küche neu umgebaut (zeigt uns beeindruckende Bilder seiner Küche) und kann vom Esszimmer direkt in meinen Weinkeller laufen (lacht).

Lieber David, danke vielmals für das nette Gespräch. Wir wünschen Dir alles Gute!

Vetsuisse-News

Dieser Artikel erschien im Original in der VetsuisseNews 3/24.

zur vollständigen Ausgabe